Samstag, 24. August 2013

Vom bittersüßen Reiz des Alleinseins




Wo liegt die Grenzlinie zwischen "lustvollem Alleinsein" und "bedrückender Einsamkeit"? 



Wie alles liegt auch hier die Einschätzung im Auge des Betrachters. Manche Menschen empfinden bereits einen Sonntag in ausschließlich eigener Gesellschaft als Einsamkeit, andere genießen das Glück der Eigenständigkeit und - wenn auch subjektiven - Freiheit, nur für sich und mit sich entscheiden zu können, wie das Leben aussehen soll. Alles hat natürlich seine Grenzen, die fließend sind. Einsamkeit wird als Produkt der Moderne gescholten. Dass dem nicht so ist, weiß im Grunde jeder. Sie gab es immer und wird es immer geben. Entscheidend ist, was man daraus macht. - Übrigens wird dieses Thema ein wesentlicher Bestandteil meines narrativen Sachbuches sein, an dem ich gerade arbeite.

13 Indizien zum Selbsttest, woran ich erkennen kann, ob ich bereits im Niemandsland zwischen "allein" und "einsam" pendele:

  1. ich perfektioniere meine Selbstgespräche und beginne sie zu genießen. Ja, es gelingen mir sogar Dialoge mit einem imaginären alter Ego.
  2. Mein Papagei weiß mehr über mich als mein/e letzte(r Beziehungspartner/in.
  3. Meine  Katze hat sich einer Selbsthilfegruppe für „anonyme Haustiere“ angeschlossen.
  4. Ich verwickle den Paketboten in längere, sinnferne Gespräche, denen er sich zunehmend zu entziehen versucht. Pakete erreichen mich nur noch über den Hausmeister. Aber der ist wortkarg.
  5.  Der Flaschencontainer in meiner Nähe wird neuerdings zweimal/Monat geleert
  6. Am Geburtstag schicke ich mir Blumen mit einer liebevoll ausgewählten Karte und an Weihnachten ein Päckchen. Das wäre eigentlich in Ordnung. Was mich irritiert ist, dass ich Karte und Verpackung wie ein Kind aufreiße, um rasch zu sehen, von wem diese Liebesgaben kommen.
  7. Ich kaufe immer zu den meist frequentierten Zeiten im Supermarkt ein. Im dortigen Gedränge spüre ich eine Nähe, die mich abstößt und anzieht zugleich.
  8. Ich ertappe mich dabei, dass ich vor dem Fernseher Ravioli aus der Dose löffele.
  9. Manchmal spreche ich in der Dämmerung fremde Menschen an, um den Klang meiner Stimme zu prüfen. 
  10. Ein Sperling flattert jeden Morgen auf meinen Balkon. Im Sommer stelle ich ihm Wasser hin. Im Winter denke ich über ein Vogelhaus nach. Was könnte ihm gefallen?
  11. Oft nicke ich vor dem Fernseher ein. Wenn ich dann in der Nacht erwache, läuft schon mal der Abendfilm in der Wiederholung. Ich schaue ihn mir erneut an, denn ich kann mich an den Inhalt nicht mehr erinnern. So ist auch die Nacht kürzer.
  12. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, nehme ich den Lift. Steigt jemand ein, rücke ich so weit wie möglich von ihm weg. Ich weiß nicht genau, ob es richtig ist, sich ein "Guten Morgen" zu wünschen. Daher lass ich es lieber.
  13. Ins Kino gehe ich erst nach den Vorfilmen. Dort bin ich allein und doch wieder nicht. Aber ich achte sehr darauf wo ich sitze, nämlich nur an den Außenplätzen. So habe ich maximal nur einen Nachbarn, der mir die Ellenbogen in die Seite bohren könnte, und muss beim Platz einnehmen nicht über die Beine anderer Leute hinweg steigen. Eine Berührung wäre mir unangenehm. Meine Arme halte ich eng an den Körper gepresst, was bei längeren Filmen schmerzt.
Alles ganz "normal" oder was?

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