Sonntag, 6. Juli 2014

Sonntagsthema: Sei wie du wirklich bist ..

Heute mal was kürzer - schließlich ist Sommer.

Der französische Denker und Historiker Emmanuel Todd bescheinigt Deutschland in einem aktuellen ZEIT-Interview "Unfähigkeit zur Selbstkritik". Die von ihm konstatierte "rigide Effizienz" des EU-Klassenprimus würde nicht nur das Land selbst, auch die südeuropäischen Demokratien und die Vision Europa in Gänze hochgradig gefährden. Sein Heimatland bleibt nicht unverschont, vor allem die Neigung der Franzosen "so sein zu wollen wie die Deutschen" moniert Todd. Bereits 2002 formulierte er in seinem schnell zum Bestseller gereiften Buch "Weltmacht USA: ein Nachruf!" Gedanken, die heute prophetisch anmuten - und behielt recht.

An dieser Stelle werden nicht Todds Postulate diskutiert, aber zwei seiner Gedanken könnte man (nicht nur) Unternehmen und Organisationen ins Stammbuch schreiben:

1 "Die Gefahr ist aber immer dann am größten, wenn man etwas anderes als man selbst ist sein will." 

2 "Den Hang der Deutschen zur Technik (und einer gewissen Steifheit), die Disziplin, die Tendenz mit großer Effizienz ein Teilproblem zu lösen, statt der Gesamtheit des Lebens gerecht zu werden" ... (erklärt Monsieur Todd für fatal)

zu 1) Ein falsches Selbst oder Mut zur Aufarbeitung?


Vom mündigen Konsumenten abgestraft werden heute Unternehmen, die sich ein Mäntelchen umhängen, das ihnen schlecht zu Gesicht steht. Die Unfähigkeit zur Selbstreflexion und Selbsterkenntnis wird dann zu Unsicherheit und Selbstverfremdung in der Eigendarstellung und in der Art, wie sie auf Zielgruppen zugehen oder diese eher auf Distanz halten. Was fehlt? Authentizität und der Mut, sich ins Fegefeuer der Analyse zu begeben (quasi auf die Couch) und sich dem eigenen Wesenskern zu stellen. So erkennt man Stärken und wie man diese stärkt, Schwächen und wie man sich mit diesen arrangiert.

zu (2) Rigide Effizienz - Stärke oder Mangelverhalten?


Effizienz per se ist gut. Und Teilprobleme mit großer Disziplin perfekt zu lösen ist zweifellos eine (technische) Stärke. Zur Schwäche wird sie, wenn sie in ihrem eigenen engen Rahmen feststeckt und nicht das große Ganze erfasst, unter dessen Oberhoheit sich der jeweilige Teilbereich tunlichst eingliedert.

Beispiel: Unternehmenskommunikation

Brecht hat nicht immer recht. Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch'nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.  - Er hat offenbar die Komponenten Flexibilität und Spontaneität außer Acht gelassen oder waren dies Tugenden, die erst nach seiner Zeit aufkamen?:-)

Anyway - tatsächlich ist es noch gar nicht so lange her, da wurden die unternehmerischen Kommunikationsstrategien und Maßnahmenplanungen grundsätzlich in Kommunikationskonzepten niedergelegt. Bevor sich im Kopf das erste operative Tool formte, ging es zur Sache (von der Situationsanalyse über Marktmonitoring, Ziel- und Zielgruppendefinition, Eigencheck bis zur Strategie) um nur das Wichtigste zu nennen.

Diesen Anspruch gibt es immer noch. Und dann und wann wird er sicherlich auch erfüllt. Aber der gängige Alltag sieht anders aus. In Teilprojekten und Teilbereichen zu denken und sein Heil bei aktionistischen Schnellschüssen ohne einen erkennbaren inneren Zusammenhalt zu suchen, macht Kommunikationsarbeit zum Stückwerk. Lernen kann man von Hochleistungssportlern: Sie visualisieren die gesamte vor ihnen liegende Strecke in einzelnen Etappen, von den Startblöcken bis zur Zielgeraden.  Warum? Um später nicht auf der Strecke zu bleiben.

Die gute Nachricht: Unternehmen müssen mit diesem nicht selten schmerzhaften Erkenntnisprozess nicht allein bleiben. Klug ist es sich Berater ins Boot zu holen, die die Schätze heben, die ein Unternehmen zweifellos besitzt. Sie kommen nicht umhin auch die inneren Feinde zu identifizieren. Kennt man sie, kann man sich wehren. Bleiben sie im Untergrund, ist diffuse Angst der ständige Begleiter. Doch Angst macht blind und kopflos.

Vielleicht könnten Monsieur Todd eine so (oder so ähnlich) gestaltete systemische Intelligenz und zielgerichtete Effizienz gefallen? 

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