Sonntag, 11. Januar 2015

Sonntagsthema: Wurm, Fisch oder Angelhaken?



Auftragstexte schreiben (lassen)? Eine Einführung.


Auftrags-Wortsetzer wie ich sind (außer ihrem Berufsethos) mindestens zwei Parteien verpflichtet: dem Auftraggeber und dessen avisierten Zielgruppen/ Adressaten. Je klarer diese geoutet werden, desto zielsicherer der Text. Wer ist der Fisch, wer der Angler? Der Wurm ist klar – das Textprodukt. Geschaffen vom Autor der den möglichst fetten Happen aus dem Schlick oder nassem Gras zieht. Den Angelhaken wirft der Angler = Kunde aus. Der Fisch ist die Zielgruppe.

Dass es nicht nur um „schön schreiben“ geht, weiß man spätestens, wenn man Thomas Manns ersten Satz in den „Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull“ mit dem Einstieg in einen profanen Sachtext vergleicht:
"Indem ich die Feder ergreife, um in völliger Muße und Zurückgezogenheit - gesund übrigens, wenn auch müde, sehr müde (sodaß ich nur in kleinen Schritten ...), indem ich mich also anschicke, meine Geständnisse in der sauberen und gefälligen Handschrift, die mir eigen ist, dem geduldigen Papier anzuvertrauen, beschleicht mich das flüchtige Bedenken, ob ich diesem geistigen Unternehmen nach Vorbildung der Schule denn auch gewachsen bin."
Solches wird bei einem Nutztext nicht gerne gesehen :-)

Was passiert zwischen Auftraggeber und Autor?


Beide bedingen einander. In der Regel geht einem professionell gefertigten Text ein mehrstufiger Prozess voraus (wir reden hier nicht Textbörsen das Wort, die auf Massenausstoß nach Tiefstpreisen setzen und auch jobbende Rentner, Studenten, Schüler, unterbeschäftigte Schreibkräfte, Hausfrauen und Mütter, Unbeschäftigte und .. ääh, sorry Dilettanten .. als Texter betrachten):

  • Auftraggeber und Autor treffen aufeinander. Soweit so gut.
  • Beschnüffeln und gegenseitiges freundliches Abklopfen.
  • Vorbriefing des Auftraggebers. Einstiegsberatung des Autors.
  • Zielgruppendefinition und Zielklärung. Was soll bei wem wie erreicht werden? Welchen Zweck verfolgt der Text? In welchem Kontext steht er? Welches Format besetzt er? Welche Rechte werden tangiert? Ein- oder mehrmalige Nutzung?  Wird er grafisch gestaltet, bebildert, blätterbar? Wann soll er vorliegen?
  • Angebotserstellung des Autors. Eventuell Nachverhandlung.
  • Nach Annahme Kunden-Briefing. Re-Briefing des Autors.
  • Strategiefindung. Informationstransfer. Recherche.
  • Konzipierung. Texterstellung. Lieferung. 
  • Abstimmungs- und Revisionsgang. Überarbeitungsgänge. Endredaktion. Vorlage der finalen Fassung.
  • Abnahme. Rechnungsstellung. Nach Vergütung Rechte-Übertragung.
  • Verwendung. Alles gut. Alle zufrieden.
  

So wird der Unternehmer zum Publisher


Klingt aufwändig? Ist es auch, in gewissem Sinne. Aufwand, der sich auszahlt. Der Autor muss sich in den Auftraggeber – der schließlich mit Fug & Recht auch persönlich zufrieden sein will –, in dessen legitimes Interesse und in das der identifizierten Content-Adressaten hineinversetzen, was nicht immer dasselbe ist. Denn auch der Auftraggeber bleibt nicht unverschont. Er muss vom Werber zum Publisher mutieren, sprich: zum Verleger seiner selbst. 

Sich fragen lassen: "Welchen Mehrwert bieten wir mit unserem Web-Content, Pressetext, eBook, Info-Brief, Magazinbeitrag, Mailing oder Infofolder? Wie berühren, begeistern, überzeugen wir die Zielgruppen? Welche journalistischen Inhalte bieten wir, für die die Zielgruppen unter anderen Umständen sogar zu zahlen bereit wären (Hintergrund, Daten, Ratgeber-Infos, Statistiken, Reportage)? Wie sollen sie im Sinne des Auftraggebers reagieren? Welche Bedeutung haben sie für den Publisher? Mehr Leads, Interessenten, Abonnenten, Kunden, Abnehmer von Dienstleistungen, Follower, Influencer, Medienberichterstatter, Leser?"

Dass ein solches Vorgehen manchmal zwickt, ist verständlich, aber unabdingbar und - konsequent angewandt - höchst erfolgreich. Und darauf kommt's doch an, oder?


Schreiben heißt Überarbeiten


Soll der Text unverwechselbar, flüssig lesbar, überzeugungsstark und wirkungsvoll sein, Substanz und Tiefgang haben, braucht er Zeit. Je mehr davon für die Erhebung der Faktenlage, für Strategiefindung und Überarbeitung zur Verfügung steht, desto mehr Impact auf Qualität, Gehalt, Haltung und Ausdruck. Komplexe und erklärungsbedürftige Sachverhalte brauchen eine gewisse Redundanz, andere vor allem Prägnanz. Jedem Textformat sein eigenes Interface, Tempo, den richtigen Takt und Rhythmus.

Texte erstellen ist wie Zwiebeln schälen. Die erste Fassung geht noch in die Breite,  jede Überarbeitung in die Tiefe. Verschlankt, strafft, präzisiert, pointiert bis sie auf den Kern prallt. Jetzt erweist sich auch, ob die Headline den Fisch aus dem Wasser springen lässt, die Subline das Kernthema knackig aufspießt, der Einstieg den Appetit anregt und der Abspann bekömmlich ist. Dazwischen liegt der Textkorpus, der nach organischer Struktur, Gliederung, markanten Zwischentiteln und den Leser bannenden Ankern giert. 

Hat der Fisch im Wasser das gute Gefühl "Hier bin ich richtig. Hier werde ich verstanden", in Fischsprache: "Diesen fetten Wurm lass ich mir nicht entgehen!" wird er zuschnappen. Und für einen wesentlichen Moment zufrieden sein. Im wirklichen Business-Leben ist allerdings eher Nachhaltigkeit gefragt.


Was hat der Wortsetzer mit dem Trüffelschwein gemein?


Vor diesem Hintergrund wird klar, dass dieser Prozess seinen Niederschlag in Stundensatz, Honorar, Textpreis finden muss, unbeschadet ob nach Einzelwortpreis (seltener), Seitenpreis, Textpauschale, tatsächlichem Zeitanfall/Stundensatz oder mit vereinbarter Pauschale vergütet wird.

Aber Achtung:

Je kürzer ein Text, desto nicht zwingend günstiger. In jedes Thema muss der Autor  sich intensiv einarbeiten, sei es für 500 oder für 12.000 Wörter, nicht selten in eine komplett neue Materie, außer er bewegt sich in seinem ureigenen Spezialthema. Wie ein Profiler in einen Kriminalfall wühlt er sich in den Bodensatz seines Themas ein. Kurz: Der Autor wird zum Trüffelschwein!

Beispiel Website-Homepage: Die Startseite ist per se die teuerste innerhalb des Internetauftritts, denn hier konzentriert sich die Besucheransprache und das Website-Anliegen. Fasst der Besucher hier Fuß und klickt sich in die Unterseiten vor, ist die Konversion zum Greifen nah. Es reicht nicht aus, den Besucher auf die Website zu holen, er muss dort auch gehalten oder zu einen zweiten oder dritten Besuch motiviert werden, bis er zu einer finalen Reaktion entschlossen ist. 

Auch der Turnus der Beauftragung (einmalig, wiederholt, Mehrumfang) redet bei der Honorierung mit. Eine Serie von Texten im selben Themenkontext ist vergleichsweise günstiger als ein einziger Unique Text. Regelmäßige Beauftragung durch Bestandskunden auch. Das ist nichts anderes als ein Preisvergleich zwischen einer einzigen Flasche Cava Rosat Brut Excellence und einem 12-Karton. Im Idealfall ist die Textserie genauso spritzig!

Spätestens jetzt wird klar:

Zwischen Auftraggeber und Kreativ-Dienstleister muss vor allem eines stimmen: die Kommunikation! - Soviel Zeit muss sein.

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