Montag, 6. April 2015

Aufgespießt: Gestatten: Dr. phil. fake Anselmus Siebenkäs

Reflexion am Montag - zufällig ist es ein Ostermontag. 


Ja, so einfach isses. Eine Briefkastenuniversität ist schnell gefunden. Manche verlangen wenig, andere deutlich mehr für einen Titel. Voraussetzungen? Ach keine, oder wenig. Der gute Wille zählt. In ein paar Scheinkurse eingeschrieben, Geld über den Tresen geschoben und schon kann's losgehen mit der akademischen Selbstdarstellung. Allzu offen sollte man mit der Quelle des Titels aber nicht umgehen - das kann ins Auge gehen. Aber so überlastet wie die Personalleiter in Konzernen schon mal sind, kann man damit ganz erfolgreich durch die Bewerbungsschleuse gelangen. Wie Beispiele auf XING belegen - sagt zumindest dieser Beitrag.http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/fake-unis-millionengeschaeft-mit-uni-abschluessen-a-1018203.html#ref=nl-dertag

Schöne heile Titel-Welt?


In den Siebziger Jahren gingen Betriebs- und Volkswirtschaftstudenten nach Innsbruck, wo es einfacher sein sollte. Immerhin absolvierten sie dort ein ganzes Studium, machten brav Scheine und Prüfungen, zu erleichterten Bedingungen halt. Oder man generierte Plagiate. Aber wozu sich heute noch so viel Mühe machen? Die Fake-University will nur eine Art Schein sehen, Banknote oder Scheck.

Ist in einer digitalisierten Welt der Doktor-Titel noch ein Bonus, der weiter bringt? In bestimmten Branchen höchstwahrscheinlich. In wissenschaftlichen Laufbahnen ganz sicherlich. - Plagiate gab's ja schon vor Jahrzehnten, nur werden diese jetzt erst aufgedeckt. Dass die Promotion innerhalb der unterschiedlichen Fächer auch unterschiedlich gewichtet wird, weil unterschiedlich dornige Voraussetzungen zu ihr führen, ist erwiesen. Jedoch: Der medizinische Doktortitel gilt als der am leichtesten zu erwerbende, dennoch hat er für einen Großteil der Menschen immer noch den besten Klang. Ein Kunsthistoriker, Theaterwissenschaftler oder Archäologe, dessen Spezialgebiet im Verborgenen blüht und das für den Großteil der Menschheit von eher vernachlässigenswertem Belang ist, muss auch mit einem deutlich geringeren Renommee auskommen. Allerdings ficht es diesen meist wenig an - denn ihn trieben Forscherdrang und Leidenschaft in sein Orchideenfach. Geldwerten Vorteil durfte er sich nicht versprechen.

Was sagt mir Jean Paul heute?


Beim Ausmüllen des Kellers fiel mir ein Konvolut an Skripten in die Hände, das ich bereits seit vielen, vielen Jahren durch alle Umzüge mit mir schleppe. Der Rest respektive die Anfänge meiner Doktorarbeit. Deutsche Literaturgeschichte. Jean Pauls "Chiffrierte Sprache". Warum ich die nicht beendete? Neben dem Studium gab es spannende Jobs, Ausbildung und Volontariat. Plötzlich nahm die Praxis überhand und Theorie wurde Schall & Rauch. Heute, nach vielen, vielen Jahren, würde mich das Thema brennend interessieren. Aber mich dafür 3-4 Jahre in den Elfenbeinturm zurückziehen? Ganz sicher nicht! Braucht mich der wortgewaltige Poet, Rousseau-Bewunderer und Freund des süffigen Bayreuther Bieres noch? Jean Paul ist ja hinlänglich erforscht. Zeit, ihn zu entsorgen. Besser den Roman beenden. Content verfassen. Angewandtes Storytelling betreiben.

Aber genützt hat er mir doch. Irgendwas blieb zurück - und wenn es nur die Liebe zu seiner "chiffrierten Sprache" war. Vielleicht gönne ich mir heute mit dem "Siebenkäs", den "Flegeljahren" oder gemeinsam mit "Dorfschulmeisterlein Wutz" eine Zeitreise in das ausgehende 18. Jahrhundert? Allein die Titel machen Laune. Ein Osterurlaub ohne Stau und Passkontrolle. Nur Fantasie sollte mit im Gepäck sein. Eh klar!




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