Sonntag, 12. April 2015

Sonntagsthema: Ist Hexenverbrennung heute statthaft?

Gefühl & Emotion als Geschmackstransporteure der Kommunikation

Seitdem es die seltsame Spezies Mensch gibt, beeinflussen Gefühle das was er tut und wie er sich entscheidet. Diese Erkenntnis hat längst auch in der Marketingkommunikation Einzug gehalten. Während die Werbung allerdings dem Menschen suggeriert, wie er sich zu entscheiden hat (was einen autoritären Zug nicht verleugnet), arbeiten verantwortungsvolle PR und Content Marketing feinfühliger - Sie lassen in ihm ein Gefühl wachsen, das ihn zum Handeln führt und einen erfolgreichen Business-Abschluss möglich macht. Gefühl & Emotion sind im Zwischenmenschlichen das Zünglein an der Waage für schlechterdings alles was passiert. Kann man sich in die Befindlichkeit seines Gegenübers hineinversetzen, trifft man auch den richtigen Ton, das richtige Schlagwort. Das heißt aber auch sich selbst ein Stück zurückzunehmen. Was nicht immer leicht fällt. Der strategische Blick des externen Text-Profis ist allemal eine sinnvolle Business-Investition.

Eine gefühlt lange Geschichte

Seitdem es verwertbare visuelle Hinterlassenschaften wie Höhlenmalereien gibt, hat sich an der Bedeutung von Emotion nichts geändert. Emotionen sind zwar archetypisch, aber von komplexer Natur - sie werden von der Kultur geprägt, in der wir agieren. Konsequenterweise werden auch bestimmte Ereignisse auf der emotionalen Ebene in wechselnden Epochen komplett anders bewertet. Hexenverbrennung? Im Mittelalter noch eine Maßnahme der Sozialhygiene, heute wäre sie eher unangebracht - aber in verklausulierter und religiös begründeter Form wird sie in anderen Kulturkreisen in Einzelfällen (?) immer noch ausgeführt. Das ins Jenseits verliebte Mittelalter hielt auf den Friedhöfen Jahrmärkte ab, im vom Totenkult gezeichneten Alten Ägypten wurde dennoch viel gelacht und heute ist der Friedhof ein Ort wahrhaftigen Nachdenkens oder simulierter Betroffenheit. Das "gotische Lächeln" war eine der vieldeutigsten Gesten der visuellen Sprache in der Kunst. Was genau sich hinter Mona Lisas Miene verbirgt, wird uns Heutigen wohl nie ganz erklärlich sein, dazu fehlt uns die Erfahrung des gelebten Lebens in ihrer Zeit. 

Wie Begrifflichkeiten sich wandeln

"Wohlwollen" verwandten Minnesänger des 10. Jahrhunderts in Zusammenhängen, die wir heute Liebe nennen und das emotionale Paar "Angst/Furcht" wechselte über die Jahrhunderte mehrfach die Konnotation. Im 17. Jahrhundert mussten Angst, Furcht & Schrecken als Instrumente der kirchlichen Moralphilosophie die Gläubigen in Schach halten. Anfang des 20. Jahrhunderts trieb die allgemein vorherrschende Angst lebendig begraben zu werden skurrile Blüten, in der 2. Hälfte verursachten atomare Bedrohung und Aufrüstung Bauchgrummeln, im ausgehenden 20. Jahrhundert kam die German Angst vor Waldsterben und ozonlochbedingter Erderwärmung auf, nach 9/11 wuchsen die Furcht vor Terroranschlägen und gleichzeitig ein Gefühl von Hilflosigkeit angesichts globaler Verwerfungen in Sozialgefüge und Finanzwesen. Bürgerkriege, Genozide in fernen Ländern senden wie entferntes nächtliches Donnergrollen ein Gefühl von unterschwelligem aber permanenten Unbehagen, ja auch Bedrohung aus.

Wovor fürchten wir uns heute - in der 2. Dekade des 21. Jahrhunderts? 

Ist es etwa die Angst innerhalb der digitalen Revolution den Anschluss zu verlieren oder nicht mehr Herr seiner selbst zu sein? Von den Giganten der digitalen Welt, die nicht nur gefühlt schneller wachsen als die gesamte Weltwirtschaft, verschluckt zu werden? Nicht ohne Grund hat die Sehnsucht nach Entschleunigung Konjunktur. Mehr Zeit für sich zu haben gilt als erstrebenswerte Errungenschaft, junge Menschen erklären nicht mehr die ultimative Karriere zum Zielpunkt allen Strebens sondern ein selbstgestaltetes, erfülltes Leben in der souveränen Balance zwischen Beruf und Privatheit. Nicht neu übrigens. In den Sechziger, Siebziger Jahren tauchten Aussteiger in Kommunen oder ländliche Idyllen ab oder starteten gleich auf La Gomera ein neues Leben. Allerdings mehr aus Protest gegen bürgerliche Scheinheiligkeit, Hybris der Wirtschaft und allerlei andere Auswüchse der Moderne. Die meisten kehrten zurück. Tant pis! Man hatte es zumindest versucht. 

Thema verfehlt?

Wollte ich nicht eigentlich über die Inanspruchnahme von Emotion im Content Marketing schreiben? Himmel, das tun ja bereits so viele. Theorie ist gut, Praxis ist besser. Soll ich da auch noch meinen theoretischen Senf dazugeben? Ich praktiziere es einfach. In meiner täglichen Arbeit als Text-Professional, die von Journalismus, Public Relations und narrativer Prosa geprägt wurde. Auch vom Szenischen Schreiben. Storytelling als Broterwerb und Leidenschaft zugleich. Für Kunden, deren Themen, Inhalten, Zielen eine stimmige und authentische Emotionalität wunderbar zupass kommt. Für deren Interessenten und Kunden, die sich diese sehnlichst wünschen. Auch wenn es ihnen vielleicht gar nicht bewusst ist. Was zählt - ist das Ergebnis.

Ein Text, der im Leser ein positiv besetztes Gefühl erweckt, eine Sehnsucht, eine Idee von erfülltem Leben und wie dies zu erreichen ist, hat bereits gewonnen.  


Foto: Thinkstock



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen