Sonntag, 20. Mai 2018

Aufgespießt: Der Pfingstochse


Der Pfingst-Ochs oder was Sprache uns in digitaler Zeit geben kann


Noch ist der Ochs im Originalzustand ..
Warum muss es gerade ein Ochse sein? Die sind in der Stadt schwer aufzutreiben, zumindest die tierischen. In ländlichen Gegenden tut man sich leichter, es gilt den Start der Weide-Saison zu feiern, der vor allem das Rindvieh betrifft - und allen voran der Ochs. Mit bunten Bändern, Stroh und Kränzen geschmückte Prachtexemplare zogen als weltliches Symbol für die Beendigung der Osterzeit durch den Ort. In der Vergangenheit fiel der so Geehrte nicht selten dem archaischen Ritual des Tieropfers anheim. 

Gründet sich darauf der schmackhafte Brauch des bayerischen Ochsengrills? In den Wiesn-Festzelten der großen Brauereien darf der Ochs am Spieß nicht fehlen und die bierseligen Gäste schieben schon mal 38 Euro über den Tresen für eine Portion rosig gegrillter Ochsenlende in Pfeffersoße. Ochsenbackerl mit Wirsing gibt’s dagegen schon für 18 Euro, Hochrippe mit Kartoffel-Gurkensalat für 29 Euro. Aber es geht auch grüner: Vegetarier greifen zu Spinat-Brezel-Knödeln in Nussbutter (11 Euro). Okay  - im Preis inbegriffen sind auch Gaudi & Brauchtum.* 

Auf geht's, Buam!
Der Pfingstochs ist in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Wer so tituliert wird, kommt stark overdressed oder geckenhaft daher, gleichzeitig egobewusst und selbstgefällig.

·     * Für die Preise wird keine Garantie übernommen. Bekanntlich erhöht sich der Preis der Wiesenmaß jährlich: 2017 lag er knapp unter 11 Euro. Mit Spannung starrt der Freistaat jährlich auf die Bekanntgabe des aktuellen Wiesenmaß-Preises wie auf ein neues royales Baby.


Das Pfingstwunder - Zurück zu den Ursprüngen


Mit Pfingsten begehen wir den Tag oder das Ereignis, an dem der Heilige Geist die Jünger so beflügelt haben soll, dass sie mit unterschiedlichsten „Zungen“ predigten und sich alsbald auf den Weg in die Missionierung machten. Die alten Römer brachten ihre latinische Sprache in die eroberten Gebiete. Das Große oder Kleine Latinum empfinden Schüler vielleicht als obsolet – tatsächlich wirkt es sich auf vieles aus: Fähigkeit zum logischen Denken, Klarheit der Formulierung, strukturelle Prägnanz, die Leichtigkeit, mit der man sich in alle auf dem Latinischen fußenden Fremdsprachen einfinden kann. Sprache als ein völker- und kulturverbindendes Moment. Heute verwirrt ein farbiges Sprachengewimmel auf unseren Straßen so manchen Bürger. Wir sollten es gut heißen – im Sinne des Pfingstwunders (wie auch immer es sich damals abspielte, und dies soll keineswegs religiöse Gefühle verletzen). Kleine Wunder halten uns in Balance. Man muss sie nur sehen oder spüren.

Text mich nich zu, du Vollhorst!


In der rasanten Digitalisierung, die mit Banalisierung einhergeht, nehmen wir zunächst kaum wahr, wie sich unser Sprachverhalten verändert. Gewöhnt, uns in Mails, Messages und Postings knapp auszudrücken, werden auch die Dialoge – so scheint es – immer rudimentärer, schlichter, lustloser, oberflächlicher. Die explizite Jugendsprache ist für Ältere ohnehin schwer oder gar nicht verständlich und das Sprachvermögen der Jugend ist laut Studien im Schwinden, begleitet von einer zunehmenden Unlust an fächerübergreifender Bildung und Allgemeinwissen. Das setzt allerdings auch Neugier voraus. Neuronale Verknüpfungen bilden die Persönlichkeit aus und starke Wesenszüge wie Neugier, Freude daran Neues zu erleben, überdisziplinäres Denken, Sprachverhalten sind PS-starke Motoren für ein erfülltes Berufs- und Privatleben. Digitale Rezeption steht dem entgegen.



Das neue Miteinander - Smartphone ersetzt Gespräch
Welche Auswirkungen die Sprachverödung auf die Gesellschaft haben wird, ist ungewiss. Alte Modelle jedenfalls werden aufgebrochen. Das kann man beklagen oder es achselzuckend hinnehmen. Besser wäre es, dafür Aufmerksamkeit zu erzeugen und den kniffligen Spagat zwischen Bewahrungswillen und flexibler Veränderungsbereitschaft tunlichst zu thematisieren. 

Der Generalist früherer Prägung wird heute gerne als Dilettant gesehen, Spezialisten- und Expertentum (auch das selbst ernannte) gilt als erstrebenswert. Dass der Spezialist sich nicht selten in sehr engen geistigen Grenzen bewegt, wird übersehen oder akzeptiert. Eine anspruchslos machende Nivellierung schreitet vorwärts. Dass sich unsere Gesellschaft im Wandel befindet, ist unverkennbar und keineswegs ein neues Phänomen, Paradigmenwechsel prägen die Geschichte. Düpierend ist wie rasant und gleichzeitig unbemerkt respektive akzeptiert sich dieser Wandel vollzieht.

Sprache ist ein schützenswertes und überlebenswichtiges Kulturgut. Gerade als Autorin, Texterin und Buchcoach muss ich kritischer hinschauen. In einer sprachlosen, kommunikationsfreien und sinnarmen Gesellschaft, in der Diskurs, Meinungsaustausch und Redefreiheit nichts mehr gelten, möchte ich jedenfalls nicht leben.

>>>Dazu ein Lesetipp: Thomas Wehrs,"Störfall Mensch!" 2018
https://bit.ly/2GyeC33




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Tags:
Pfingstochs, Ochsen, Weidesaison, Oktoberfest, Pfingsten, Pfingstwunder, Sprache



Bildnachweise:
Ochse: Pixabay, Huskyherz
Festzug: Pixabay, JacMac34
Smartphone-User: Pixabay, Rawpixel.com


MissWord! - Sigrid Jo Gruners Alter Ego

Wort. Kommunikation. 

Strategie. Text. Buch. Story

Sigrid Jo Gruner unterstützt  als "MissWord! Manufaktur für das wirksame Wort" Unternehmen, Freiberufler, Berater & Coaches bei Marktpositionierung, Branding und Unternehmenskommunikation. 

Schwerpunkte: 
Strategie- & PR-Beratung, Redaktion & Texttuning, Premiumtext (Web, Magazin, PR), Publikation (E-Book, Whitepaper, Folder), Buchcoaching und Ghostwriting (Sachbuch & Corporate Book für Beratungsprofis und Unternehmen). Eigene Autorenprojekte (narrativ/szenisch)

Charakteristika: Leidenschaft, Empathie und Chuzpe und 26-jährige Selbstständigkeit.

Schwerpunktthemen: Alles was die Sinne anspricht und Sinn macht. Gesellschaftspolitische Themen, modernes Leben, komplexes B2B, Food, Living, LifeBalance, Persönlichkeitsentwicklung, Business/Führung.





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